Ausstellungen Mona Hatoum in Berlin: Mensch sein in einer instabilen Welt

2022-10-08 02:15:55 By : Ms. Amy Zeng

Die Installation aus einem verkohlten, auf ihr Drahtgeflecht reduziertem Möbelensemble wird heute mit dem Ukraine-Krieg assoziiert.

Die Installation aus einem verkohlten, auf ihr Drahtgeflecht reduziertem Möbelensemble wird heute mit dem Ukraine-Krieg assoziiert.

Berlin Sie ist in diesem Jahr siebzig geworden, aber ihr Werk ist von zeitloser Brisanz. Die Palästinenserin Mona Hatoum ist seit den 1980er-Jahren mit ihren Videos, Skulpturen, Installationen und Papierarbeiten eine Kultfigur der politischen Kunst. Entwurzelung durch Kriege, verletzte Intimität, Verwundbarkeit des Menschen in einer von Machtstrukturen bedrohten instabilen Welt sind ihre Themen. Sie könnten nicht aktueller sein.

In Berlin, wo Hatoum mit London alternierend lebt, wird ihr Werk nun an drei Ausstellungsorten gezeigt: dem Georg Kolbe Museum, dem Neuen Berliner Kunstverein und dem Kindl-Zentrum für zeitgenössische Kunst. Es ist keine Retrospektive, sondern ein Konzentrat faszinierender Arbeiten, in denen sich das Körperliche mit dem Instrumentalen und Ideellen verbindet.

Die Künstlerin wurde 1952 in Beirut geboren, wohin ihre Eltern während des Sechs-Tage-Kriegs aus Haifa geflohen waren. Als sie 1975 in London studierte, brach im Libanon der Bürgerkrieg aus und verhinderte ihre Rückkehr.

In frühen Videos, die im Kolbe Museum gezeigt werden, erscheint sie als Protagonistin, die Foltermethoden an sich selbst praktiziert, um den Körper als Instrument sozialer und politischer Konflikte in den Brennpunkt zu stellen. Der Höhepunkt: die Performance „Variations of Discord and Divisions“ von 1984. Das ist zwanzig Jahre vor Abu Ghraib schon ein Menetekel der Entmenschlichung.

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Eine starke, visuell auf Anhieb fesselnde Arbeit ist die Installation „Remains of the Day“, die aus einem verkohlten, auf ihr Drahtgeflecht reduzierten Möbelensemble besteht. Hiroshima stand Pate, aber es ist eine Werkgruppe, die uns heute auch an die Überreste zerbombter Wohnungen im Ukraine-Krieg denken lässt.

Die Palästinenserin ist seit den 1980er-Jahren eine Kultfigur der politischen Kunst.

Die Palästinenserin ist seit den 1980er-Jahren eine Kultfigur der politischen Kunst.

Die Weltkugel, ein immer wiederkehrendes Motiv in Hatoums Gesamtwerk, ist in zwei Versionen vertreten. Im Kolbe Museum steht die Skulptur „Inside Out“ von 2019, deren äußere Hülle kompakte Gehirnwindungen bilden. Das Innere, das hier nach außen gekehrt ist, ist schutzlos dem Weltgeschehen preisgegeben.

Im Kunstverein steht die mit roten Neonfeldern bedeckte Gitterkugel aus der Münchner Sammlung Goetz, die die Welt als ein fragiles, durchlässiges Gebilde charakterisiert. Bedrohte Fragilität ist auch das Thema des raumhohen Gittergerüsts im Kindl, eine Rasterstruktur, die den Eindruck erweckt, sie könnte jeden Augenblick in sich zusammensacken.

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Nicht minder stark sind die Bodenarbeiten. Im Kolbe Museum liegt ein Ensemble gläserner Bodenplatten mit sandgestrahlten Kontinenten, die auf Glaskügelchen ruhen, gefährdet und verletzbar wie die Erde. Wie ein schlechtes Omen wirkt, dass hier schon einige der Glasplatten gebrochen sind und ergänzt werden müssen. Das Motiv der Weltkarte ist auch auf einem Teppich zu finden. In „Shift“ sind die Erdteile getrennt auseinandergeschnitten.

Aus der Sammlung Goetz kam die Installation „Home“ von 1999 in den Kunstverein. Hinter einer Scheibenwand steht ein Arbeitstisch, auf dem Küchengeräte aller Art wechselweise von innen beleuchtet und mit Stromschlägen attackiert werden: die heimische Küche als Gefahrenzone.

Eine ganz andere, subtilere Sprache sprechen die Papierarbeiten, in denen die Künstlerin Körperspuren wie Haut, Nägel und Haar in handgeschöpftes Papier integriert oder Abdrücke löchriger Küchengeräte in Wachspapier drückt.

Eine dieser Frottagen entstand in diesem Jahr, ebenso eine von der Decke herabhängende Installation von Küchengegenständen, durch die Strom fließt, der eine am Boden liegende Glühbirne leuchten lässt. Hier ist weniger Bedrohung als Lebenskraft das Thema.

Wer den Markt für Werke Mona Hatoums betrachtet, kommt an der Londoner Galerie White Cube nicht vorbei. Sie ist seit 2016 Stammgalerie der Künstlerin und liefert ein breites Spektrum von Arbeiten, deren Preise nicht genannt werden.

Bis dahin war das Werk in der Galerie Max Hetzler präsent, in deren Ausstellungen die Preise schon 2012 bis 300.000 Euro reichten. So viel kostete damals ein Ensemble von fünf Stahlkäfigen, in denen je eine rote Glaskugel ruht. In den Auktionen zeitgenössischer Kunst ist Mona Hatoum nur sporadisch vertreten.

Die Ausstellung „Mona Hatoum“ läuft im Neuen Berliner Kunstverein bis 13. November, im Kolbe Museum bis 8. Januar 2023, im Kindl - Zentrum für zeitgenössische Kunst bis 14. Mai 2023.

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