Diebold-Nixdorf: Geldautomaten sicherer machen, Betriebskosten reduzieren

2022-08-20 00:25:42 By : Ms. Carolin Pang

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Immer mehr Geldautomaten werden gesprengt. Dabei nehmen die Schadenssummen zu. Sicherheitskonzepte und Technologien dagegen sind vorhanden. Sie müssten aber flächendeckend eingesetzt werden.

Das Jahr 2022 hat das Potenzial dazu, das explosivste Jahr in der Geschichte zu werden, aus Sicht von Geldautomaten-Sprengern. Denn allein in den ersten fünf Monaten wurden in Deutschland laut Angaben des LKA Niedersachsen bereits 220 Sprengattacken auf Geldausgabeautomaten (GAA) verübt. Setzt sich diese Wachstumskurve fort, werden am Jahresende deutlich mehr als die 392 Sprengungen aus 2021 in der Statistik stehen. Für die Kriminellen lohnen sich leider derartige Angriffe immer noch – denn sie waren bei 48,2 Prozent erfolgreich und kamen ans Bargeld. Das entspricht einer zehn Prozent höheren Erfolgsrate als in den Vorjahren

Nordrhein-Westfalen verzeichnet mit 152 Angriffen immer noch die höchste Fallzahl. Es ist aber ein rückläufiger Trend zu erkennen, was die Vermutung zulässt, dass dies auf die bereits umgesetzten Maßnahmen der Banken zurückgeführt werden kann. Die Zahlen in den Nachbarländern Hessen und Niedersachsen sind indes teils merklich gestiegen. Ein Grund dafür kann eine Art Verdrängungseffekt sein, basierend auf immer besser abgesicherten GAAs in NRW. Ein Faktor bleibt aber nach wie vor die Entfernung zu den Niederlanden. Dort erarbeitete die Polizei in Kooperation mit den vier großen Bankinstituten über viele Jahre ein umfangreiches Präventionskonzept zur Sicherung von Geldautomaten und minimierte so die Tatgelegenheiten erheblich. Das letzte Lagebild des BKA deutet aber an, dass Täter nicht davor zurückschrecken, auch GAA in entfernteren Bundesländern anzugreifen, wenn der Taterfolg nahe der grenze eingeschränkt wird.

Jeder Geldautomat muss in den Niederlanden einer individuellen Risikobewertung unterzogen werden. Seit 2015 hat sich außerdem der Einsatz von intelligenten Tintensystemen flächendeckend verbreitet. Wird ein Geldautomat angegriffen, der diese enthält, färbt die Tinte die Banknoten ein und macht sie somit für den Täter unbrauchbar. Sie können weder ausgegeben noch umgetauscht werden – sie sind wie „wertloses buntes Papier“. Der Erfolg: Die Anzahl der Geldautomatensprengungen sank in den Niederlanden von 74 im Jahr 2019 auf nur noch 14 im vergangenen Jahr.

Auch in Frankreich ist seit 2015 der Einsatz von Banknoteneinfärbesystemen unter anderem für frei aufgestellte und zugängliche Geldausgabeautomaten gesetzlich vorgeschrieben. Das Resultat spricht für sich: Die Fallzahlen reduzierten sich von 300 im Jahr 2013 (lt. European Crime Prevention Network, “Preventing physical ATM attacks”, 2019) auf nur noch 27 in 2021.

Weil die hochspezialisierten Kriminellen in ihrer Heimat keine lohnenden Angriffsziele mehr finden, drängen sie ins Nachbarland Deutschland. Dabei handelt es sich zu mehr als zwei Dritteln um Täter aus den Großräumen Utrecht und Amsterdam. Sie agieren als Banden in wechselnder Zusammensetzung. Die einzelnen Beteiligten kennen sich oftmals vorher nicht. Sie verabreden sich über Chatgruppen und lernen sich erst bei der Anfahrt zur Tat kennen. Einer der Gründe, weshalb die Ermittlungen oft erfolglos enden.

Darüber hinaus gibt es weitere Tätergruppen etwa aus Osteuropa, und andere Nachahmer. Letztere kommen zwar glücklicherweise nur selten an das Bargeld, allerdings verursachen sie oft immense Schäden.

Weil sich Sprengungen nach der Einleitung von explosiven Gasen durch den Einsatz unterschiedlichster Sicherheitsmechanismen mittlerweile recht gut verhindern lassen, setzen Kriminelle inzwischen bei etwa jedem zweiten Angriff auf Bankautomaten Festsprengstoff ein. Dabei operieren sie in manchen Fällen inzwischen mit mehr als einer Sprengladung, was zu noch höheren Schäden führt. Dieser Trend stellt aktuell alle Beteiligten vor noch größere Herausforderungen. 

Das Problem bei Festsprengstoffen wie TNT ist ihre enorme Explosivkraft, die heftige Kollateralschäden verursacht. Denn die Wucht der Detonation trifft nicht nur den Geldautomaten. Glasscheiben zerbersten, Mauerteile fliegen durch die Luft und die Gebäude werden massiv bis hin zur Einsturzgefahr beschädigt. Werden Geldautomaten gesprengt, die in freistehenden Pavillons aus Stahlrohr eingebaut sind, klappen manchmal auch ganze Wände weg und die Trümmerteile hinterlassen Zerstörungen im weiteren Umkreis. Diese Zerstörungen verursachen höhere Schadenssummen als das erbeutete Bargeld – und das auch, wenn überhaupt keine Beute erlangt wurde.

Nicht zuletzt aufgrund der Gefahr für Menschenleben intensivieren Polizei und Landeskriminalämter ihre Ermittlungsarbeit. Anfang Mai 2022 stellte das nordrhein-westfälische Innenministerium in einer Pressekonferenz die Sonderkommission BEGAS vor – das steht für „Bekämpfung und Ermittlung von Geldausgabeautomaten-Sprengungen“. Als erster Schritt wurde – nach dem Vorbild der Niederlande – eine Risikoanalyse für jeden der 11.000 Geldautomaten in NRW vereinbart. In Hessen stellte Innenminister Peter Beuth im Mai gemeinsam mit der Polizei die „Allianz Geldautomaten“ vor. Ihr gehören zur Gründung bereits 15 hessische Kreditinstitute an. Das Risikoanalysetool „GLB operativ“ (Geldautomatenlagebild operativ) soll Sprengungen vermeiden und den Druck auf reisende Täter deutlich erhöhen. Das LKA Rheinland-Pfalz hat ein bundesweit einheitliches Raster zur Risikoanalyse entwickelt. Es besteht aus neun Parametern:

Diese Kriterien sollen nicht nur Sprengung physisch verhindern, sondern haben drei weitere Ziele: Die Angriffe sollen frühzeitig erkannt werden. Die Schäden im Umfeld sollen minimiert erden. Und vor allem soll das Wertlosmachen der Beute den Tatanreiz reduzieren.

Intelligente Tintenlösungen, die Banknoten in der Kassette bei unterschiedlichen Angriffsszenarien einfärben, sind bereits seit vielen Jahren in unterschiedlichsten Ländern und Märkten verfügbar und haben sich dort vor allem gegen Sprengangriffe nachweislich bewährt. Der Einsatz einer solchen Lösung bedeutet für die Banken und Sparkassen natürlich einen nicht zu vernachlässigenden Invest, der – aktuell – noch nicht verpflichtend ist, wie in anderen Ländern. Positiv sind hier Beispiele aus der Versicherungsbranche, bei denen der Versicherer den Einsatz einer intelligenten Lösung entsprechend honoriert. Ein Modell, das auch für den Versicherer Sinn machen könnte, da er durch eine Reduzierung der Angriffe auch weniger Schäden zu begleichen hat.

Neben der Effektivität der Lösung ist vor allem ein sicheres und sehr einfaches Bedienen ausschlaggebend für eine gute Tintenlösung. Das Verhindern von Fehlauslösungen zum Beispiel durch eine „Schattentür“ trägt signifikant zur Akzeptanz bei, da es die Kosten für die Banken reduziert, Fehlbedienungen maximal reduziert und dabei die Routinen rund um das System nicht stört. Wie effizient diese Abschreckung funktioniert, zeigen Beispiele aus Frankreich, den Niederlanden oder auch aus Belgien: Nach sehr hohen Fallzahlen von Angriffen auf Werttransportunternehmen (WTU) haben diese nach Einsatz der intelligenten Tinten-Technologie deutlich nachgelassen. 

Auch wenn Angriffe auf WTU Fahrzeuge hierzulande heute noch nicht das dominierende Thema sind, erwarten Branchenexperten, dass die für die WTU zuständige Berufsgenossenschaft auch hier in absehbarer Zeit über den Einsatz von Tintenlösungen zur Absicherung der Beschäftigten nachdenken wird. Denn nach einer Absicherung der GAAs suchen die Täter möglicherweise das nächstschwächere Glied in der Kette. Aus diesem Grund legen viele Banken und Sparkassen auch Wert auf den Einsatz intelligenter Tintensysteme, die später ohne Zusatzinvestitionen auf einen „E2E Prozess“ inkl. WTU umgestellt werden können. Aber auch andere Maßnahmen verringern das Risiko von Sprengungen. Wenn beispielsweise der Angriff auf den Geldautomaten sehr lange dauert, damit steigen die Chancen der Polizei, die Täter zu erwischen. Durch den Einsatz von Digitalfunk-Scannern ermitteln die Kriminellen die Standorte von Polizeifahrzeugen und gehen erst dann ans Werk, wenn eine schnelle Vor-Ort-Präsenz ausgeschlossen werden kann. Laut LKA-Statistik dauerte die schnellste Geldautomaten-Sprengung lediglich 38 Sekunden.

Deshalb ist alles, was die Dauer eines Angriffs verlängert und damit die Wahrscheinlichkeit einer Entdeckung erhöht, ein empfehlenswertes Sicherheitsfeature. Dazu zählen beispielsweise die Verstärkung des Kopfchassis des GAA und die Absicherung der Öffnungen im Tresor. Vor allem letztere gilt es bestmöglich zu schützen – durch spezielle Abdeckungen für Kabeldurchbrüche und intelligente Lösungen, um die Öffnung zur Geldübergabe abzusichern. Dabei macht der Einsatz von Spezialstahl mit Bohrschutzfunktion Sinn, da solche Angriffe bereits im Feld beobachtet wurden. Auch Lösungen, die den Zugriff auf das System im Ganzen erschweren, sind eine sinnvolle Maßnahme, so etwa bewegliche, gegen Sprengungen getestete Sicherheits-Glasscheiben oder Rollladensysteme, die das Gerät nachts nicht mehr direkt zugänglich machen.

Zudem stellt der Einsatz von Videoüberwachung rund um den Geldautomaten eine wichtige Komponente im Sicherheitskonzept dar. Zwar tragen die Täter in der Regel Sturmhauben und bei der Auskundschaftung des Tatorts im Vorfeld aufgrund von Corona Schutzmasken, dennoch hat das Vorhandensein von Bildmaterial im Nachgang eine wichtige Beweisfunktion. Im Weiteren bieten solche Systeme die Möglichkeit einer Live-Aufschaltung, um Situationen besser einschätzen und ggf. weitere Maßnahmen wie etwa Nebelsysteme gezielt auslösen zu können.

Erwiesen sprengresistent sind moderne Pavillons in Zylinder-Form, die aus bis zu 15 Zentimeter starken stahlarmierten Betonwänden bestehen. In diesen Rundbauten steht der Geldautomat, Tastatur und Geldausgabe sind über eine Art Fensteraussparung erreichbar. Bisher mussten Angreifer auf diese Rund-Pavillons der neusten Generation stets ohne Beute abziehen. Damit der Rundpavillon auch nach einer versuchten Sprengung stabil steht und die Wände keine Risse aufweisen, muss die Wucht einer Explosion abgeleitet werden. Dafür sorgen intelligent eingebaute Sollbruchstellen. Zwei Varianten haben sich als erfolgreich erwiesen: Bei der einen hebt der Deckel der Zylinder-Konstruktion ein wenig ab. Bei der zweiten werden zwei Türen eingebaut. Eine RC2-Zugangstür schützt dabei den Wertebereich. Drückt eine Explosion diese Tür nach außen, verhindert eine weitere innen liegende Tür aus engmaschigem Edelstahl-Gitter jeglichen unbefugten Zugriff auf den Tresor. Denn durch die Gitterstruktur kann der Explosionsdruck entweichen. Als Faustregel gilt: Je höher der Sicherheitsstandard eines Geldautomaten, umso höhere Befüllmengen sind durch Versicherungen abgedeckt.

Roland W. Sorke verantwortet als Geschäftsführer bei Diebold Nixdorf seit 2020 das Bankengeschäft in Deutschland, in der Schweiz und in Österreich. Zuvor bekleidete er mehr als 20 Jahre verschiedenen Positionen im nationalen und internationalen Bankenvertrieb in dem Unternehmen sowie seiner Vorgängerorganisation.

Stefan Leßmann leitet das Competence Center Security bei Diebold Nixdorf und ist verantwortlich für die DACH Region. Er blickt auf über 14 Jahre internationale Erfahrung im Bereich kundenorientierter Lösungen für Banken zurück. So verantwortete er als Senior Produktmanager weltweit Kernkomponenten und Systeme des Diebold Nixdorf Lösungsportfolios inkl. integrierter Sicherheitslösungen und globaler Partnerprodukte aus dem Bereich Sicherheit.

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