Veganes im Napf: Tierschutz oder Quälerei? - DocCheck

2022-10-01 00:31:58 By : Mr. Allen Wu

Veganer, die auch ihre Haustiere vegan ernähren wollen – inzwischen mehr als nur ein Trend. Im besten Fall fragen die Besitzer beim Tierarzt nach der richtigen Umsetzung. Hier erfahrt ihr, wie ihr informieren könnt.

Dafür, dass der Veganismus mittlerweile weit verbreitet ist, gibt es die verschiedensten Gründe – sei es der Tierschutz, der Umweltschutz oder einfach der Experimentierwille. Inzwischen ist das Bestreben, keine tierischen Produkte mehr zu konsumieren, aber so groß, dass viele dieses auf ihr Haustier übertragen wollen. Der Gedanke ist folgender: Warum so viele Tiere nicht artgerecht halten und töten, damit ein anderes Tier leben kann? Können Hund und Katze dann nicht einfach auch auf Fleisch verzichten?

Anstatt das konventionelle Futter zu kaufen, einfach die vegane Variante wählen – zack – Haustier happy und ganz viele Kühe, Schweine und Hühner gerettet. Aber sollte ein Tierarzt das empfehlen? Und wenn nicht, welchen Ratschlag kann man geben, wenn wieder jemand in der Praxis steht, der ein gesundes Tier halten und es dabei vegan ernähren will? 

Erst mal die Grundlagen: Es ist wichtig, klar zwischen Hunden und Katzen zu unterscheiden. Hunde sind Omnivoren, besitzen also alle Enzyme, um sowohl tierische als auch pflanzlichen Nahrung zu verarbeiten. Katzen hingegen sind Karnivoren. Hier liegt also ein großer Unterschied vor. Davon abgesehen ist es in der Theorie erstmal zweitrangig, in welcher Form die Tiere ihre benötigten Nährstoffe und Mineralien zu sich nehmen. Hunde haben beispielsweise nicht per se einen erhöhten Bedarf an Proteinen, wie es oft auf Futtern beworben wird, aber doch an speziellen Aminosäuren wie Arginin, Valin und Methionin. Sie benötigen die einzelnen Bausteine, um Gewebe aufzubauen – ob sie diese in Form von Fleisch, Erbsen oder Mineralpulver zu sich nehmen, spielt zunächst keine Rolle. Soviel zur Theorie.

Bleiben wir erstmal bei den Hunden. Die dringendste Frage ist hier wohl, ob ein Hund wirklich gesund und ohne Einschränkungen leben kann, wenn man ihn vegan ernährt. Damit beschäftigt sich eine neue Studie der University of Winchester. Die Studienteilnehmer waren 2.500 Hunde, von denen 13 % veganes Futter, 54 % handelsübliche, prozessierte Dosen- oder Trockennahrung auf Fleischbasis und 33 % rohes Fleisch bekamen. Die Forscher verglichen nun verschiedene Gesundheitsdaten der Tiere. Die Hunde, die konventionelles Futter fraßen, litten am häufigsten und die vegan ernährten Tiere am seltensten unter gesundheitlichen Problemen. Die Rohfleischkonsumenten mussten am seltensten zum Tierarzt, litten aber am häufigsten unter Mangelernährung und verschiedenen Krankheitserregern, die wahrscheinlich von rohem Fleisch stammten.

Letztendlich handelt es sich bei dieser Studie aber nur um eine Korrelationsstudie, die einige Einschränkungen hat. Die Gruppe von Hunden, die rohes Fleisch bekam, war die durchschnittlich jüngste Kohorte, was bedeutet, dass sie generell eher seltener zum Tierarzt müssen. Außerdem könnte man davon ausgehen, dass Tierhalter, die sich kritisch mit der Ernährung ihres Hundes auseinandersetzen, sich auch gewissenhafter um sie kümmern und demnach seltener zum Tierarzt müssen. Die besseren Lebensumstände der vegan ernährten Hunde könnten dann dazu führen, dass die Tiere seltener krank werden.

Was wir aber aus der Studie mitnehmen können, ist, dass es prinzipiell möglich und vielleicht sogar gesund für den Hund ist, pflanzliche anstatt tierischer Nahrung zu sich zu nehmen. Theoretisch könnte man seinen Hund also vegan ernähren. Wie so oft ist die Antwort aber praktisch nicht so leicht. Laut Dr. Gregor Berg, Tierarzt mit Schwerpunkt Ernährungsberatung, gibt es verschiedene Probleme.

Das Angebot an veganem Hundefutter ist mittlerweile weltweit groß, aber ist da wirklich alles drin, was der Hund braucht? „Die vegane Hundeernährung ist eine Sache, die man selber verantworten sollte – d. h. selber kochen“, sagt Gregor Berg. „Alle Inhaltsstoffe sollten genau bilanziert sein. Wenn man einfach veganes Futter kauft, muss man den Herstellern blind vertrauen und gibt die Verantwortung für die optimale Versorgung seines Tiers in einen Bereich ab, in dem die Hersteller noch nicht so viel Erfahrung haben“.

Und das ist auch laut einiger Studien nicht die beste Idee. In einer brasilianischen Studie wurden vier vegane Futter untersucht, von denen keines die US-amerikanischen oder europäischen Nährstoffempfehlungen für die jeweilige Tierart erfüllte. Unter anderem wurden Unterdosierungen für Arachidonsäure, Arginin, Methionin und einige Mineralstoffe festgestellt. Eine weitere Studie untersuchte vier in Deutschland erhältliche vegane Alleinfutter für Katzen und Hunde und kommt zu ähnlichen Ergebnissen. „Die Fütterungsempfehlung der Hersteller wich bei zwei von vier Alleinfuttern deutlich von der kalkulierten Futtermenge ab und ergab eine Bedarfsdeckung von 64 bis 121 %“, heißt es im Paper.

Wenn man sich aber dazu entscheidet, für seinen adulten Hund selber zu kochen, sieht Dr. Berg die vegane Ernährung unkritisch. Auch hier gebe es allerdings einiges zu beachten: Alle Kohlenhydrate – wie Kartoffeln und Karotten ­– müssen immer gekocht werden, sodass sie aufgeschlüsselt vorliegen und dann vom Hund verdaut werden können. Außerdem müsse bei der Portionierung der Proteine darauf geachtet werden, dass z. B. bei der Verfütterung großer Mengen Linsen Unverträglichkeiten beim Hund auftreten können.

Und natürlich muss einiges an Mineralien und Nährstoffen in Form von Nahrungsergänzungsmitteln hinzugefügt werden. Das Ganze sollte genau bilanziert werden, sodass in jeder Portion alles drin ist, was der Hund zum Leben braucht. Mit der Unterstützung vom Tierarzt sei das für erwachsene Hunde möglich. 

„Trächtige Hunde oder Welpen haben einen hohen Aminosäurebedarf um neues Gewebe aufzubauen. Da wird’s dann schwierig mit der veganen Ernährung. Um den höheren Bedarf an Mineralstoffen wie Vitamin B12 und Arachidonsäure zu decken, müsste man sehr viel künstlich hinzufügen. Da geht’s dann schon in den Bereich Astronautennahrung“, bemerkt Gregor Berg. Dahingegen sieht der Tierarzt die vegane Ernährung von alten Hunden eher unproblematisch.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es möglich ist, einen erwachsenen Hund bedarfsgerecht vegan zu ernähren – auch wenn es mit viel Arbeit verbunden ist. Aber ist es deshalb auch artgerecht? Vermenschlichen wir unser Haustier damit zu viel? Ist der Hund denn auch als Veganer glücklich? Die meisten dieser Fragen kann man nicht wissenschaftlich fundiert beantworten. Wir können unsere Tiere nicht fragen, ob ihnen das Essen schmeckt und ob es sie glücklich macht. Eine Möglichkeit, die Antwort anderweitig zu finden, wäre es, das Mikrobiom des Darms zu untersuchen. Leider gibt es in dem Bereich selbst für den Menschen erst wenige Studien – bei Tieren ist man weit davon entfernt, hier Antworten zu finden.

Wenn man als Tierarzt seinen Kunden eine etwas unkomplizierte und sicherere Ernährungsform empfehlen möchte, gibt es eine Lösung: vegetarisches Futter. Natürlich werden auch für Eier und Milchprodukte Tiere getötet und der Klimawandel angetrieben, aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Auch hier sollten die Rationen bilanziert werden, es müssen allerdings weniger Nährstoffe und Mineralien hinzugefügt werden und die „natürliche“ Ernährung könne noch eher gewährleistet werden. Ein guter Kompromiss, findet der Experte.

Ein weiterer Kompromiss ist es, die Tiernahrung mit Insekten zu ergänzen. Diese haben eine deutlich bessere Klimabilanz und enthalten viele wichtige Nährstoffe und Proteine.

Kommen wir zu den Katzen. Dr. Gregor Berg findet zu der veganen Ernährung von Katzen klare Worte: „Auf gar keinen Fall.“ Sie sind, wie schon erwähnt, Karnivoren, demnach ist eine vegane Ernährung hier nicht zu empfehlen. Beispielsweise ist es für Katzen nicht möglich, Vorstufen von Vitamin A, die in Pflanzen enthalten sind, zur Synthese von Vitamin A zu nutzen. Der deutsche Tierschutzbund erkärt: „Eine rein vegetarische Ernährung kann den natürlichen Bedürfnissen einer Katze grundlegend nicht entsprechen. Bei gesunden erwachsenen Katzen ist eine lakto-ovo-vegetarische Ernährung (vegetarisch plus Milch- und Ei-Produkte) unter Berechnung der Rationen und Zusatz aller essenziellen Nährstoffe theoretisch möglich.“ 

Letztendlich ist es wichtig, jeden Tierbesitzer darauf hinzuweisen, welche Folgen eine fehlerhafte Ernährung seines Tieres haben kann. Das große Problem: Mangelernährung ist bei Hund und Katze nur schwer und oft viel zu spät zu erkennen. Bei Katzen ist das Ganze laut Dr. Berg sehr dramatisch: „Wenn ich eine Katze mangelernähre, werde ich das nicht direkt sehen. Auch nicht unbedingt innerhalb von 2 Jahren. Dabei können Bluttests die Mangelernährung nicht nachweisen, weil der Körper versucht, alles auszugleichen. Die Blutwerte von Iod, Eisen und Kupfer können also normal sein, während es im Gewebe schon an Allem fehlt.“ Die einzige Möglichkeit, herauszufinden, ob eine Mangelernährung vorliegt, ist, die Frage zu stellen, was dem Tier konkret gefüttert wird. Aber das passiert natürlich meistens nur, wenn es dem Tier schon auffällig schlecht geht.

Wichtige Indikatoren, die auf eine Mangelernährung hinweisen, gibt es aber. Man bemerkt das Fehlen der Nährstoffe dort am meisten, wo sich das Gewebe schnell verändert, also wo der Körper ständig in Kontakt zur Außenwelt ist. Konkret: Schuppige Haut, Verletzungen, die nur langsam verheilen und stumpfes Fell sind einige der Indikatoren. Außerdem fehlt es den Tieren oft an Energie, was auch auffällig werden kann.

Die Frage nach dem Ernährungsplan des Hundes oder der Katze kann dem Tier also viel Leid ersparen. Und wenn mal wieder jemand in der Praxis steht, der ein gesundes Tier halten und es dabei vegan ernähren will, gibt es jetzt eine Antwort. Bei erwachsenen Hunden ist eine vegane Ernährung nach genauer Absprache mit dem zuständigen Tierarzt möglich und kann als unkritisch angesehen werden. Bei trächtigen oder jungen Hunden und bei Katzen – lieber nicht.