Autoinnovation: Wird das Lenkrad bald ein Rad?

2021-11-22 03:36:31 By : Ms. Trista Wang

BMW iX: Das Lenkrad des neuen Elektro-SUV ist fast sechseckig. (Quelle: Uwe Fischer / BMW AG / dpa / tmn)

Immer mehr Autohersteller weichen von der üblichen runden Form des Lenkrads ab. Designer erwarten viel von den Ecken – doch das Lenkinstrument könnte bald sogar ganz verschwinden.

Es ist nicht kreisrund, sondern ragt fast sechseckig aus dem schlanken, digitalen Cockpit heraus. Deshalb sorgt er bei den Fahrgästen von Johann Kistler immer wieder für überraschte Blicke. Der BMW Ingenieur ist für die Entwicklung des neuen iX verantwortlich. Wenn der Elektro-SUV im November in den Handel kommt, wird er genauso revolutionär und unkonventionell wie der i3 vor rund zehn Jahren – und dazu gehört auch das auffällige Lenkrad.

Das erste Auto der Welt hatte übrigens gar keinen. Stattdessen gab es beim Benz Patent-Motorwagen von 1886 einen aufrechten Griff. Er ragte senkrecht aus einer Art liegenden Sextanten heraus. Je weiter man nach links oder rechts schob, desto näher kam das Auto der Kurve. Erst knapp zehn Jahre später erfand der französische Ingenieur Alfred Vacheron das, was wir heute als Lenkrad kennen, berichtet Mercedes-Sprecher Ralph Wagenknecht.

Für das erste Automobilrennen der Welt im Juli 1894 verbaute er in seinem Panhard & Levassor, der von einem Daimler-Motor angetrieben wurde, ein Lenkrad anstelle des üblichen Lenkhebels. Er erhoffte sich dadurch eine bessere Kontrolle über das Auto, da die Lenkbewegung der Vorderräder aus einer neutralen Mittelstellung über mehrere Lenksäulenumdrehungen bis zum Anschlag verteilt werden konnte. Der Franzose wurde nur Elfter, Wagenknecht muss zugeben: Aber der sogenannte Volant setzte sich durch.

Rennwagen 1894: Beim ersten Automobilrennen der Welt von Paris nach Rouen greift Alfred Vacheron erstmals in ein Lenkrad. (Quelle: MediaPortal Daimler AG / dpa / tmn)

In der Gestaltung des Lenkrads hat sich seither viel verändert, aber immerhin galt die Kreisform seit Jahrzehnten als etabliert. Bis sich die Designer irgendwann von Rennwagen inspirieren ließen. Bei besonders sportlichen Modellen haben sie den unteren Teil der Felge abgeflacht. So können ambitionierte Fahrer näher ans Cockpit heranrücken und schneller um die Kurven kurbeln.

Die Dämme sind offenbar gebrochen, und der Spielraum ist so groß geworden, dass neben Kistler und seinem iX gerade Tesla mit der Ankündigung eines neuen Lenkrads für Schlagzeilen gesorgt hat. Als die Amerikaner vor wenigen Wochen das Facelift des Model S und Model X ankündigten, waren die größeren Reichweiten und die stärkeren Motoren nur Nebensache.

Im Fokus stand stattdessen das sogenannte Yoke-Lenkrad, das der US-Hersteller künftig optional anbieten will. Als liegendes Quadrat erinnert es nicht nur an das Lenkrad eines Formel-1-Rennwagens oder gewerblichen Fliegers. Ärgerlich ist es aber auch durch das Fehlen fast aller Knöpfe an den Speichen und allen Hebeln dahinter.

Tesla: Das vorgestellte Lenkrad erinnert an Formel-1-Autos oder Berufspiloten. (Quelle: Tesla/dpa/tmn)

Denn wo andere Lenkräder im wahrsten Sinne des Wortes zur Schaltzentrale aufgewertet wurden und mit Tastern, Cursorn, Rollen oder Sensorfeldern für Bedienassistenten, Infotainment und Bordcomputer gespickt sind, hat Tesla dann nur noch zwei Knöpfe und viel künstliche Intelligenz. Dieser soll zum Beispiel automatisch das Blinken übernehmen und damit die üblichen Hebel überflüssig machen.

Marcel Bruch, der bei Audi die Entwicklung der Lenkräder leitet, musste für den neuen Q4 E-Tron neben der ursprünglichen Definition bis zu 18 Funktionen in das Lenkrad integrieren – und auch die Form verfeinern.

Um dem Elektromodell einen frischen Look zu verleihen und gleichzeitig die Sicht auf die Straße zu verbessern, hat er das Lenkrad nicht nur unten, sondern auch oben abgeflacht. Das war keine leichte Entscheidung, gibt der Entwickler zu: „Wir bewegen uns ständig im Spannungsfeld zwischen Design und Ergonomie. Das Lenkrad soll griffig bleiben und definierte ergonomische Anforderungen erfüllen.“

Audi Q4 E-Tron: Aus ästhetischen Gründen wurde der obere Teil des Lenkrads „abgefeilt“, dennoch sind noch rund 18 Funktionen untergebracht. (Quelle: Roman Raetzke / Audi AG / dpa / tmn)

Dabei spielen die Designer nicht nur mit der Form, sondern auch mit der Anzahl der Speichen, über die die Außenfelge mit dem Mitteltopf und der Nabe verbunden ist. Denn auch wenn sich im Laufe der Jahre drei oder vier Speichen als Standard etabliert haben, gibt es immer wieder Ausreißer: Citroën beispielsweise hat sich manchmal mit einem Lenkrad mit nur einer Speiche einen Namen gemacht. Und als Skoda bei der Premiere des aktuellen Octavia von drei auf zwei Speichen umstellte, feierten die Tschechen das wie eine Revolution.

Skoda Octavia: Der tschechische Hersteller hat kürzlich von drei auf nur noch zwei Speichen umgestellt. (Quelle: Skoda Auto/dpa/tmn)

Aber egal, ob rund oder eckig oder mit flachem Boden, ob mit drei, zwei oder sogar nur einer Speiche: „Die Entwicklung eines Lenkrads ist äußerst komplex“, sagt Audi-Sprecher Tobias Söllner. Er berichtet über 35 zu berücksichtigende Gesetze und Richtlinien.

Dieser Aufwand könnte bald reduziert werden. Die Industrie arbeitet daran, das Lenkrad – zumindest vorübergehend – überflüssig zu machen. Dafür sollte der Autopilot serienreif sein. Auch der iX von Kistler hat den Großteil der Technik bereits an Bord.

In den letzten Jahren waren immer wieder Technik-Schaukästen und Showcars ​​zu sehen. Sie hatten die Lenkräder, die sich einklappen oder senken ließen, oder sie wurden mit einem Joystick gesteuert. Als Robo-Taxi sind Modelle wie der Smart Fortwo Vision EQ nicht mehr zum Selbstfahren gedacht. Zumindest um das Lenkrad muss man sich keine Sorgen mehr machen.

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