Älter als die Dinosaurier: Der Kampf um die Perlmuschel | MDR.DE

2021-12-13 09:45:10 By : Ms. Jessica Dong

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Die Perlmuschel lebt in Flüssen und Bächen mit sauberem Wasser. Die Wasserqualität vieler Flüsse ist jedoch so schlecht geworden, dass die Muschel in vielen Gebieten als ausgestorben gilt. Aber jetzt gibt es wieder Hoffnung für sie. Es wird seit mehr als zwanzig Jahren in Forschungsprojekten vermehrt und ausgewildert, auch in Sachsen.

Am Ende eines umzäunten Feldes, im Talgrund, irgendwo in Sachsen, schlängelt sich ein schmaler Fluss durch Bäume und Büsche. Es regnet seit Stunden. Das stört den Hydrologen Felix Grunicke nicht. Er steht in Gummihosen knietief im Wasser und beendet gerade seine Messungen. Standardprogramm, wie er sagt. Wie sieht es mit den Parametern im Wasser, Leitfähigkeit, pH-Wert, Sauerstoffgehalt aus? Ergebnis: Die Wasserqualität ist gut, Flussperlmuscheln könnten es hier aushalten.

Als Beweis fischt Felix Grunicke einen kleinen Käfig vom Grund des Baches. Es hat die Größe einer Brotdose und ist mit einem Metallgitter bedeckt, damit Wasser hindurchfließen kann. Grunicke öffnet den Käfig und 15 Flussperlmuscheln tauchen auf. "Sie wachsen hier nach und nach auf und werden zum richtigen Zeitpunkt in die Wildnis entlassen, wenn wir denken, dass sie es jetzt alleine zum Bach schaffen." Die Schalen sind braun und oval, zwei bis drei Zentimeter lang. Auf jedem befindet sich ein kleines, rotes Etikett mit einer Nummer.

Diese sensiblen Organismen gibt es schon länger als Dinosaurier. Sie filtern das Wasser den ganzen Tag und reagieren daher zeitnah auf Verschmutzungen. Für Hydrologen sind sie daher "Organismen zeigen": Wo die Muschel lebt, ist das Wasser noch in Ordnung.

Nur - wo ist es sonst? Seit der Industrialisierung geht es bergab. Industriebetriebe leiteten Abwässer in die Flüsse, Bauern bestellten immer größere Flächen und setzten Pflanzen- und Insektizide ein, die nach und nach in die Flüsse sickerten. In den letzten Jahrzehnten war die Zeit gekommen, in der die Muschel nicht mehr im Fluss auftauchte, sondern auf der Roten Liste der bedrohten Arten auftauchte.

Thomas Berendonk beobachtete dies mit Sorge. Er leitet das Institut für Hydrologie an der TU Dresden: „Vor fast 100 Jahren gab es noch Flussperlmuscheln. Es gab auch ein Recht, die Flussperlen zu ernten, also gab es wirklich große Flussperlmuschelbänke.“ Die Muschel ist nicht nur für den Fluss wichtig, sondern auch für die deutsche Kultur, denn sie ist die einzige Süßwassermuschel, die Perlen bildet. Thomas Berendonk macht dies deutlich: „Es ist nicht so, dass jede Muschel eine Perle hat. Es ist jede Hundertstel oder jede Tausendstel. Man musste entsprechend viele Muscheln haben, um eine einigermaßen ausreichende Anzahl von Perlen zu bekommen.“ Berendonks Einschätzung ist optimistisch, andere sprechen von jeder fünftausendsten Muschel.

Felix Grunicke, der MDR WISSEN zu einem der geheimen Orte mitgenommen hat, stellt den kleinen Käfig wieder auf den Grund des Baches und sagt, er rede nicht gerne über dieses Thema: „Die Plätze sind geschützt, weil es immer Leute gibt, die zuhören Süßwasserperlmuscheln, hören nur "Perle" und wollen sofort antworten und selbst nach Perlen suchen. Dann ist die ganze mehrjährige Arbeit vorbei. Wir verfolgen daher eine relativ strenge Geheimhaltungsstrategie, um die Bestände zu schützen." Die Muscheln wachsen sehr langsam, kann aber 120 Jahre alt werden. Die hier im Bach sind 12 oder 13 Jahre alt und stehen kurz vor der Geschlechtsreife. Danach werden sie freigelassen. „Hier wurden im vergangenen Jahr in vier verschiedenen Bächen etwas mehr als 1.300 Muscheln ausgesetzt. Im Vorgängerprojekt wurden in den letzten 20 Jahren 2.000 bis 3.000 Muscheln ausgewildert.“

Vor 20 Jahren soll es in Sachsen einige Hundert Exemplare gegeben haben. Dank verschiedener Forschungsprojekte und Kooperationen mit Landwirten ist dieser Tiefpunkt überwunden. Das Feld neben diesem Bach gehört einem Biobauern, der mit den Forschern zusammenarbeitet. Das sei ein großes Glück, sagt Felix Grunicke, das sieht meist anders aus. 90 Prozent aller Flüsse sind durch Inputs, auch aus konventioneller Landwirtschaft, zu stark verschmutzt.

Dort hat die Miesmuschel keine Chance, mit Ausnahme einiger Bäche, die jetzt als Brutstation ausgewählt wurden. „In den vergangenen Projekten haben wir ein intensives Monitoring durchgeführt und geschaut, wie viele Muscheln wir wiedergefunden haben. Wir konnten sehr gute Wiederfindungsraten dokumentieren. Bis zu 30 Prozent der von uns gefundenen Muscheln haben überlebt, obwohl die Dunkelziffer höher ist.“ ."

An dem Projekt zur Rettung der Süßwasserperlmuschel sind viele Partner beteiligt. Projekte gibt es in Sachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Alle arbeiten zusammen und tauschen Daten aus. An der TU Dresden fließen dann alle Informationen zusammen.

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